Die Landwirtschaft hat in extremen Höhenlagen, wo die Schneedecke eine Bewirtschaftung des Bodens viele Monate im Jahr unmöglich macht, nur eingeschränkte Möglichkeiten: einige Korn- und Kartoffelacker, wenige Gemüsesorten im Garten in den Sommermonaten; Ressourcen, die nicht ausreichen, um das Überleben in den langen Wintermonaten zu gewährleisten. Die Weidewirtschaft ist darum die einzig wirklich reichlich vorhandene Ressource, was die große Bedeutung der Viehzucht in den hochgelegenen Bergregionen erklärt.
Im Lystal brachte die Almwirtschaft immer eine Transhumanz vom Tal zu den hochgelegenen Almen mit sich. Dadurch konnten die Wiesen im Talgrund zur Heugewinnung für den Winter genutzt werden. Im Laufe des Sommers wurde das Vieh stufenweise bis zu den höchstgelegenen Weideflächen getrieben. Zu Sankt Michael (29.September) kehrte man ins Tal zurück, denn dann begann die Zeit der Zahlungen und der Messen, die erst am Martinstag (11. November) endete.
Aufgrund der Kargheit der Hänge lagen die Almen des Lystals mehrheitlich auf kleinen Terrassen. Nur einige breite Seitentäler ließen eine intensivere und weniger mühsame Weidetätigkeit zu wie zum Beispiel das San Grato-Tal in Issime, das Niel-Tal in Gaby, die Lòò- und Ranzola-Alm in Gressoney-Saint-Jean und Gabiet und Sankt Anna in Gressoney-La-Trinité.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Almwirtschaft war neben dem Vorhandensein einer dichten Grasdecke auch die des Wassers, um die Tiere zu tränken, die Eimer zu waschen und die Ställe zu spülen. Außerdem brauchte man Holz, damit man die Milch zur Käseverarbeitung erhitzen konnte. Mancherorts wurde das Holz auf den Schultern oder auf dem Rücken eines Maultiers auf höchstgelegenste Almen gebracht.
Das Leben auf der Alm war sehr hart und spielte sich fast zur Gänze im Freien ab, auch wenn jede Etappe mit einem oder mehreren Gebäudekomplexen ausgestattet war, die einen Stall für die Tiere, einen Wohnraum für die Hirten, eine Käserei, einen kleinen Keller zur Aufbewahrung von Milch und zur Sahnegewinnung und einen größeren Keller für die Käsereifung beherbergten. Es durfte auch die Grube für den Mist nicht fehlen, den man täglich aus dem Stall holte und schließlich zur Düngung der Wiesen nutzte.
Der lange Arbeitstag der Senner war bestimmt durch Weidetätigkeit, dem morgendlichen und abendlichen Melken, der Entrahmung der Milch vom Vortag und der darauffolgenden Verarbeitung zu Butter und Käse.
Eine Besonderheit des Lystales war, dass die Almwirtschaft zum großen Teil in den Händen der Frauen, Kindern und alten Leuten lag, da die Männer im besten Alter normalerweise einer Saisonarbeit nachgingen und in den Frühlingsmonaten loszogen, um erst zu Weihnachten wieder heimzukehren.
Heute werden nur noch die flächenmäßig größeren Almen genutzt, während die kleinen aufgrund der geringen Ressourcen und ihrer Unwegsamkeit dem Verfall preisgegeben wurden. Einmal nicht mehr genutzt, übernimmt die Natur nach und nach wieder das Ruder und die Wege wachsen zu.